die Jahre als Londoner Kulturkorrespondent
1970 bis 2001

Jahr 1972
Text # 31
Autor John Antrobus
Theater
Titel Crete and Segeant Pepper
Ensemble/Spielort Royal Court Theatre/London
Inszenierung/Regie Peter Gill
Uraufführung
Sendeinfo 1972.05.24/SWF Kultur aktuell 1972.05.25/BBC German Service

Sergeant Pepper ist der Inbegriff des britischen Feldwebels, ein bärbeißig, rauher Geselle mit struppigem Schnauzbart, funkelnden Augen unter buschigen Brauen, leicht gerötetem Mondgesicht und einem imponierend vorgewölbten Bauch auf stämmigen Beinen. Vor seinen Leuten gibt er sich hart und respektgebietend, solange er dienstlich auftritt. Doch hinter der rauhen Oberfläche verstecken sich Schwäche, Furchtsamkeit und Selbstmitleid. Der dümmliche Haudegen mit der Stimme eines Löwen und der Seele eines Kindes ist eine komische Figur, die trotz ihrer auffallenden Schwächen sympathisch wirkt, weil sie im Grunde keinen größeren Schaden stiftet.

‘Crete and Sergeant Pepper’ (Kreta und Sergant Pepper) heißt ein neues Lustspiel, das John Antrobus für das Londoner Royal Court Theatre geschrieben hat. Es spielt im Jahre 1941 in einem Gefangenenlager auf Kreta nach der Besetzung der Insel durch die Deutschen. Sergreant Pepper und die Seinen, ein ziemlich verwahrloster Haufen, sind in die Hände der ‘Goons’ gefallen, der feldgrau uniformierten Teutonen. Den Sergeant suchen Albträume heim; ihn plagt das schlechte Gewissen, weil er seinen Major im Stich gelassen hat, damals am Strand, tödlich verwundet, vermutlich durch eine Kugel der Eigenen. Doch der mutmaßlich Verblichene kehrt plötzlich von den Toten zurück, mit dem riesigen Safe, in dem sich die Regimentsregister befinden, die er wie seinen Augapfel hütet, weil ihnen, als historischen Dokumenten, hervorragende Bedeutung zukommt. Gottlob hat der ‘verrückte Major’ bei seiner Verwundung das Gedächtnis verloren, so daß die Schuldigen vor Verfolgung sicher sein dürfen. Aber er und sein Safe stören die friedliche Lageratmosphäre, in der man fast vergessen hat, daß es draußen noch Krieg gibt. Bald werden die Deutschen in Moskau sein, meint der pfiffige Ire, der gern als Zoowärter nach Berlin gehen möchte. Sein Freund und Landsmann hat sich geschworen, nicht zu baden, bevor er endlich wieder zu Hause ist. Der marxistische Korporal sieht in dem Major nur den Klassenfeind und plant darum seine Vernichtung. Der Major selbst entwickelt einen aberwitzigen Plan, wie eine Gruppe von Soldaten im allgemeinen Trubel des Silvester-Kostümballes den kostbaren Safe entführen könne. Wider aller Erwarten gelingt der Coup. Ein britisches U-Boot taucht zur rechten Zeit auf und bringt die heldenhaften Ausreißer und ihre Fracht sicher nach Kairo.

‘Crete and Sergeant Pepper’ ist das dritte Stück von John Antrobus, das am Royal Court Theatre uraufgeführt wurde. Es ist eine sentimentale Reminiszenz an die Zeit des letzten Krieges, die den berühmten nationalen Gemeinschaftsgeist zeugte, welcher von der älteren Generation noch immer beschworen wird.

John Antrobus, der mit Spike Milligan zusammenarbeitete und einige der Texte für Frankie Howards Fernsehshows schrieb, sich also auf den flüssigen Ton der leichten Komödie versteht, liefert mit ‘Crete and Sergeant Pepper’ eine herrliche Karikatur des britischen Soldaten, der Disziplin- und Regellosigkeit der Mannschaft, der bramarbasierenden Sergeants, der spleenigen Offiziere. Die Deutschen erscheinen als phantasielose Barbaren, die sich durch ihr humorloses Betragen selbst der Lächerlichkeit preisgeben.

Peter Gill hat das Stück mit Witz und Verve inszeniert. Das Publikum war sichtlich begeistert.

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