Das Stück entsprach den Umständen. Am bisher heißesten Tag des ungewöhnlichen Sommers mit den höchsten Temperaturen in London seit Einführung der offiziellen Messungen hatte im Bankside Globe Playhouse das Stück ‘Summer Sports’ von David Edgar Premiere. Die Inszenierung gehört in den Rahmen des IV. Southwark Summer Festival, das Sam Wanamaker im Auftrag des ‘Weltzentrums der Shakespearestudien’ präsentiert. Das Epitheton schmückt den 1972 gegründeten Bankside Globe Playhouse Trust, der das Gebiet am Südufer der Themse, in dem Shakespeares berühmtes Globe Theatre stand, zu einem neuen Kulturzentrum ausbauen lassen möchte. Nach dem Vorbild des historischen ‘Globe’ sollte ein neues Theater errichtet werden, in dem die Stücke Shakespeares und seiner Zeitgenossen “mit den höchsten Ansprüchen an Kreativität und Professionalismus” zur Aufführung gelangen würden. Daneben sollten ein Shakespeare-Studienzentrum, ein Shakespeare-Museum und eine Bibliothek eingerichtet werden, sowie ein Shakespeare-Geburtstagsfond, über den man neue musikalische, literarische und bildnerische Arbeiten in Auftrag geben wollte.
Die Pläne zur Verwirklichung der vielen Vorhaben sind freilich nicht sehr weit gediehen, weil sie mit ähnlichen Projekten des Nationaltheaters konkurrieren und der Ausbruch der ärgsten Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes seit Ende des Zweiten Weltkriegs den hochfliegenden Entwürfen nicht gerade besonderen Auftrieb brachte. Statt des zunächst provisorisch aufgeschlagenen Zelttheaters – einem Mittelding zwischen Zirkus und Freilichttheater – wurde inzwischen, wiederum provisorisch, aus Fertigbauteilen ein Pavillon errichtet, der vierhundert halbarena-artig angeordnete Sitzplätze hat. Die alten Hauswände und Kaimauern der unmittelbaren Umgebung sind von Kindern mit grellbunten Lackfarben bemalt worden. Im Hof nebenan gibt es Wein, Bier und wohlfeile Speisen.
David Edgars Stück mit dem Titel ‘Sommersport’ besteht aus drei längeren Sketchen, die sich ironisch mit der glamourösen Welt des Sports befassen. Zwei Kricketspieler vertreiben sich die Langeweile zwischen den einzelnen, umständlich vorbereiteten Würfen und Abwehrschlägen mit einem Schachspiel, dessen Figuren ein Zuschauer in der vordersten Reihe auf Zuruf weiterbewegt. Da sich die Kontrahenten nicht kennen (sie gehören zur jeweils anderen Mannschaft), versuchen sie über den hilfreichen Mittelsmann Einzelheiten über den Charakter des Partners zu erfahren. Das im Telegrammstil durchgeführte Frage- und Antwortspiel, welches sich dabei ergibt, weckt bei aller Unterschiedlichkeit der Partner freundschaftliche Gefühle, die freilich ein jähes Ende finden, als der eine den spielentscheidenden Ball verpatzt und darum vom anderen nicht länger ernst genommen werden kann.
Im zweiten Teil meditiert ein martialisch aussehender Kugelstößer über die Schönheit und Poesie seiner Sportart, die – obwohl sie in Eleganz und Harmonie der Bewegungen alle anderen übertreffe – vom Publikum kaum beachtet werde. Eifersucht und Neid steigern sich, bis er in einem Anfall von Jähzorn die eiserne Kugel auf die Aschenbahn schleudert, – jedoch den umjubelten Langstreckenläufer verfehlt und seinen neuen Weltrekord nicht verhindern kann.
Der dritte Teil führt auf den Tennisplatz. Die wie Götter gefeierten Großen des weißen Sports geben sich in Wimbledon ein Stelldichein. In ihrem Schatten zwei Balljungen, die auf ihren nächsten Auftritt warten. Wiederum Neid und Eifersucht auf die favorisierten Kollegen, die für die Endspiele ausgewählt wurden. Der Haß gegen den Kult um den blonden schwedischen Superstar treibt die Balljungen zum Mord. Nach der flammenden Rede im Shakespeare-Stil, die von der grausamen Tat berichtet, nimmt der Anstifter zum Mord die allen bekannte Heldenpose des Opfers ein und erwartet mit triumphierendem Lächeln die Meute seiner Verehrerinnen, welche die Türen sprengen und ihn, wie Orpheus, in Stücke reißen werden.
David Edgar, der sich vor allem als Autor politischer Satiren einen Namen machte, ist zurzeit Hausdramatiker des Birmingham Repertoire Theatre. Seine Sketche haben Witz und stecken, wie stets, voller Anspielungen auf die politische Misere des Landes, die Posen der Konservativen, die Einfalt der Linken und nationale Kultobjekte, die keine Seite infrage zu stellen wagt. Das ganze bleibt leichtgewichtig, ist kaum mehr als ein hochsommerlicher Ulk, den die Darsteller mit sichtbarem Vergnügen an den clownischen Späßen ihrem schwerere Kost im Augenblick sicher weniger zugeneigtem Publikum bieten.