die Jahre als Londoner Kulturkorrespondent
1970 bis 2001

Jahr 1977
Text # 108
Autor Alan Ayckbourn
Theater
Titel Bedroom Farce
Ensemble/Spielort National Theatre/Lyttelton Theatre/London
Inszenierung/Regie Peter Hall & Alan Ayckbourn
Neuinszenierung
Sendeinfo 1977.03.18/SWF Kultur aktuell/DLF/Nachdruck: Darmstädter Echo

Der Titel des Lustspiels bezeichnet die Sache und führt doch listig in die Irre: Alan Ayckbourns ‘Bedroom Farce’ wirbt mit dem Schein von Frivolität, von der die meisten Produkte des Boulevards heute leben, doch bedarf ihrer nicht. Freilich, das Stück dreht sich ums Bett, genauer gesagt um drei Doppelbetten, die nebeneinander auf der Bühne stehen, aber zu Zimmern verschiedener Wohnungen gehören. Ayckbourn führt vor, was sich in Schlafzimmern alles ereignen kann – außer dem üblichen, wofür sie normalerweise bestimmt sind: Schlaf und Sex.

Drei Ehepaare, ein älteres und zwei jüngere, haben eine schlaflose Nacht, weil ein viertes Paar sie mit ihren privaten Problemen in Atem hält. Ein Spiel, das sich, wie stets bei Ayckbourn, aus der Komik ebenso realer wie grotesker Situationen des bürgerlichen Alltags entwickelt.

Ernest und Delia, zwei ältere Leute, leben in einer Altbauwohnung und sorgen sich um ein undichtes Dach. Malcolm und Kate sind glücklich über ihr neues Heim und haben Freunde zu einer Party geladen. Nick und Jan ärgern sich aneinander, weil er mit einer Verletzung der Wirbelsäule im Bett liegt und sie allein zur Party gehen will, obwohl (oder auch weil) sie dort ihrem ehemaligen Freund Trevor begegnen wird. Durch die handgreifliche Weiterführung ihres Ehezwistes bringen Trevor und seine hysterische Frau Susannah die Party zum Platzen und sorgen ihren Nächsten für eine ruhelose Nacht.

Was sich im Einzelnen zuträgt, ist schlichtweg unbeschreiblich: eine hinreißend komische Serie von Verlegenheiten und Peinlichkeiten sowie verzweifelten Versuchen, sie durch alle erdenklichen Kompensationshandlungen zu überspielen. Ernest und Delia, Trevors Eltern, trösten sich über ein trostloses Restaurantessen am Hochzeitstag im Gedenken an sinnliche Freuden der fernen Vergangenheit mit Sprotten auf Toast. Sprotten im Bett? “Man lebt doch nur einmal”, meint Ernest, und seine Frau: “Ich habe das Gefühl, auf dem Deck eines Heringfängers zu schlafen”. Für Malcolm und Kate dient das Bett vor allem als Versteck für Haarbürsten, Schuhe und andere praktische Gegenstände. Der durch seine Rückenverletzung zur Bewegungsunfähigkeit verurteilte Nick kämpft wie ein komischer Käfer mit der Tücke der Objekte. Susannah sucht nach Mitternacht Zuflucht bei Trevors Eltern und endet im Bett der Schwiegermutter, während Ernest in den Nebenraum abgeschoben wird, wo ihn die Albtraumschreie der Schwiegertochter in ständiger Alarmbereitschaft halten. Trevor läßt sich, nachdem sich die Party aufgelöst hat, bei Malcolm und Kate ein Notbett bereiten, zieht dann aber weiter zu Nick und Jan, um sich wegen des Schadens, den er gestiftet, mit größerem Ungemach zu entschuldigen. Malcolms Leidenschaft für Do-it-yourself-Mobiliar bringt das Stück mithilfe des ungeschickten Trevor gegen Ende des zweiten Teils zum komischen Höhepunkt.

Alan Ayckbourn hat seine ‘Schlafzimmerfarce’ gemeinsam mit Peter Hall im Lyttelton Theatre inszeniert und dabei für eine der heitersten, verrücktesten Aufführungen gesorgt, die das Nationaltheater gesehen haben dürfte.

Was es da überhaupt zu suchen habe, wollte einer der Londoner Kritiker wissen, die das neue Stück im übrigen unisono als neuen Meisterstreich des großen Lustspielroutiniers begrüßten. Die Frage scheint berechtigt, wenn man bedenkt, daß jeder neue Text von Ayckbourn, der die Theater des Londoner Westends in den letzten Jahren mit nicht weniger als elf großen Kassenschlagern beglückte, auch bei den meisten der kommerziellen Bühnen ankommen würde, die ohne öffentliche Subventionen arbeiten. Warum also Steuergelder verschwenden? Das Nationaltheater sollte sie weniger erfolgsträchtigen, förderungswürdigen Projekten widmen,

Das Publikum freilich jubilierte: es kam auf seine Kosten.

 

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