Die Ankündigung der Premiere eines neuen Stückes von Tom Stoppard genügt, um Veranstalter und Publikum in freudige Erregung zu versetzen. Man scheint davon auszugehen, daß dem erfolgverwöhnten Autor, der mit größtem Geschick Verpackung, sprachliche Brillanz, als die Sache selbst zu verkaufen versteht, rein gar nichts mißlingen kann. Die Direktion der Edinburgh Festspiele hatte voller Stolz die “Welturaufführung eines neuen Werkes von Tom Stoppard” angesagt, womit das Nationaltheater noch vor der Londoner Premiere in der schottischen Hauptstadt gastieren sollte. Man war überzeugt, daß das Ereignis zu einem der dramatischen Höhepunkte des diesjährigen Festivals werden würde.
‘On The Razzle’, so hieß es, stütze sich auf ein Stück des beliebten österreichischen Bühnendichters Johann Nestroy, das schon Thornton Wilder als Vorlage für sein Stück ‘Die Heiratsvermittlerin’ benutzt habe, woraus schließlich das bekannte Broadway-Musical ‘Hello Dolly’ entstanden sei. Stoppard, “der englische Nestroy”, habe sich des Stoffes aufs Neue bemächtigt und daraus ein Stück gemacht, das seine unverwechselbare Handschrift trage. Selbst wer sich der weltweiten Stoppard-Welle bisher mit einigem Erfolg widersetzt hatte und bemüht gewesen war, sich im Meer der jubelnden Begeisterung den kühlen Kopf zu bewahren, war auf das Ergebnis dieser neuerlichen Rückkehr zu Johann Nestroy gespannt.
Was uns als neuer Stoppard versprochen wurde, entpuppte sich als freie Bearbeitung der Nestroy-Posse ‘Einen Jux will er sich machen’, der es gelingt, trotz aller sprachlichen Freiheiten, die sie sich gönnt, so dicht an der Handlung des Originals zu bleiben, daß man das alte Stück zunächst nur in neuer Verpackung wiederzufinden glaubt. Wiener Charme und relative Glaubwürdigkeit der Charaktere gehen verloren. Stoppard entschädigt dafür mit einer Überfülle teils raffinierter, teils unbeschreiblich alberner ‘puns’, Wortwitze, deren Mehrdeutigkeiten hier vor allem unter die Gürtellinie zielen und im Publikum die berühmte schenkelklopfende Heiterkeit erzeugen.
Was sich Stoppard zu Nestroys ‘Jux’ einfallen ließ – neben einigen Scottiana, der Verschmelzung des dritten und vierten Aktes und der Verlagerung einiger Akzente zugunsten des Lehrlings Christopherl, der nach Wiener Tradition von einem Mädchen, in diesem Fall der bezaubernden Felicity Kendal, dargestellt wird – was Stoppard sich einfallen ließ, ist kaum mehr als eine Fülle von Wortspielen, die er den handelnden Personen in den Mund schiebt, Scharniersprüche, die sich nach verschiedenen Seiten aufklappen lassen, scheinbare Versprecher und Wortverdrehungen, linguistische Spielchen, die nur selten witzig sind. Stattdessen hagelt es Kalauer in solcher Dichte, daß jedem halbwegs intelligenten Zuschauer, der zunächst bereit gewesen sein mochte, auf den Jux einzugehen, den der Autor vor allem sich selbst gegönnt zu haben scheint, mit der Zeit die gute Laune gründlich vergehen mußte.
Wenn vor der schottischen Premiere darüber spekuliert worden war, warum das Nationaltheater die Uraufführung eines neuen Stückes von dem so populären (wennzwar vielleicht seit je überschätzten) Autor Tom Stoppard in Edinburgh stattfinden lassen wollte und den Kritikern der großen nationalen Zeitungen bis zur Londoner Premiere den Zugang verwehrte, konnte sich nun jeder einen Reim darauf machen. Daß das Nationaltheater zu solchem Anlaß eine Inszenierung vorzustellen wagte, die kaum bis zum Stadium der ersten Kostümprobe gediehen war, in welcher die Schauspieler ihren Text noch nicht beherrschten; daß ganze Szenenabläufe, vor allem gegen Ende des Stückes, den Eindruck gaben, als seien sie kaum geprobt worden, so daß die Aufführung buchstäblich auseinanderzufallen drohte; daß man den Auftritt des Nationaltheaters bei den Edinburger Festspielen als bloßen Probenbühnentest für London laufen ließ – machte die Affäre fast zum Skandal.
Hatte man in Edinburgh noch geglaubt, die Schwächen der in manchen Momenten recht hübschen, doch insgesamt sehr enttäuschenden Inszenierung einfach darauf zurückführen zu können, daß sie uns in halbfertigem Zustand vorgesetzt wurde, schien die Londoner Premiere zu beweisen, daß was sich als Farce ausgibt, als Schwank gemeint war, den man so überzogen derb über die Rampe brachte, als käme es wirklich nur auf die dicken Lacher im Publikum an, die den Eindruck geben konnten, das Stück sei, weil man es lustig fand, auch künstlerisch ein Erfolg gewesen.